Freitag, 10. April 2015

(Rezension) Was fehlt wenn ich verschwunden bin von Lilly Lindner




Hallo Ihr Lieben,

heute möchte ich euch gerne ein Buch vorstellen, das mich zutiefst berührt hat.


Was fehlt wenn ich verschwunden bin von Lilly Lindner




Buchdetails:
Erscheinungsdatum Erstausgabe: 19.02.2015
Aktuelle Ausgabe: 19.02.2015
Verlag: Fischer
Seiten: 397
Band: Einzelband
Genre: Jugendbuch
Preis: 9,99 Euro (Taschenbuch)
9,99 Euro (eBook)

Klappentext:
Das erste Jugendbuch von Bestsellerautorin Lilly Lindner - Lilly Lindner ist ein Phänomen. Sie ist ein außergewöhnliches Schreibtalent. Nun hat sie ihr erstes Jugendbuch geschrieben und trifft mit ihrer glasklaren und poetischen Sprache jeden Leser direkt ins Herz.

April ist fort. Seit Wochen kämpft sie in einer Klinik gegen ihre Magersucht an. Und seit Wochen antwortet sie nicht auf die Briefe, die ihre Schwester Phoebe ihr schreibt. Wann wird April endlich wieder nach Hause kommen? Warum antwortet sie ihr nicht? Phoebe hat tausend Fragen. Doch ihre Eltern schweigen hilflos und geben Phoebe keine Möglichkeit, zu begreifen, was ihrer Schwester fehlt. Aber sie versteht, wie unendlich traurig April ist. Und so schreibt sie ihr Briefe. Wort für Wort in die Stille hinein, die April hinterlassen hat.

Erster Satz:
Liebe April,

du bist jetzt schon fast eine Woche weg, und ohne dich ist es schrecklich langweilig hier. 

 
Inhalt:
Der Klappentext sagt das wichtigste schon aus. Es geht in diesem Roman um zwei junge, sehr intelligente Mädchen, beide Schwestern, die von ihrer Familie nicht verstanden werden. April ist 16 Jahre alt, überdurchschnittlich klug und leidet seit sie 8 Jahre alt, an Magersucht. Als sie mit ihren zarten 16 Jahren endlich in eine Klinik kommt, scheint es, als ob es längst zu spät für sie wäre. Sie ist dort ganz allein auf sich gestellt, sie spricht mit niemanden und bekommt kaum Besuch von ihren Eltern. Und so schreibt ihr Tag für Tag ihre kleine 9-jährige Schwester Phoebe Briefe, die ihr Kraft spenden sollen. Aber sie antwortet kein einziges Mal darauf und das verletzt Phoebe sehr. Sie gibt jedoch nicht auf, und schreibt weiterhin...monatelang. Was sie nicht weißt - ihre Eltern sind an all dem ganzen Drama schuld und verbieten sogar, dass April auf all die Briefe antwortet. Ja, sie darf sogar ihre kleine Schwester Phoebe nicht ein einziges Mal sehen.
 
Meine Meinung:
Dieser Roman hat mich zu Tränen gerührt und ich weiß gerade nicht wo ich eig. anfangen soll. Das Buch ist von Anfang an sehr traurig und hat mich auf der anderen Seite unglaublich wütend gemacht.
Die Geschichte beginnt mit Phoebes Briefen und ab der Hälfe mit den von April. Phoebe ist 9 Jahre alt, überdurchschnittlich intelligent und gerade diese Tatsache wird ihr zum Verhängnis, genauso wie bei ihrer 16- jährigen Schwester April. Das kann man sich gar nicht vorstellen oder? Eig. sollten ihre Eltern sich glücklich schätzen, so kluge Töchter zu haben, aber sie tun das nicht! Sie verstehen sie nicht mal. April hat sich schon lange aufgegeben, sowie ihre Worte und ihre Sprache. Sie ist stumm und kommuniziert nicht mehr mit ihrer Familie, nur mit ihrer kleinen Schwester. Beide Mädchen haben einen unglaublichen Wortschatz und ein Weltverständnis, das nicht mal die Erwachsenen besitzen. Ihre Eltern haben sogar Angst davor und wünschen sich "normale" Kinder. Anstatt sie zu fördern, treiben sie sogar die kleine April in die Magersucht, mit gerade 8 Jahren! Als sie Phoebe bekommen, hoffen sie wieder auf Normalität und behandeln sie besser als ihre große Schwester. Aber auch sie ist für sie zu intelligent und wird von ihnen nicht verstanden. Dazu muss ich sagen, dass die Eltern auch sehr gebildet sind, der Vater arbeitet in einem Büro und ist sogar der Chef dort und die Mutter betreut Pflegekinder. Aber beide sind mit ihren eigenen Kindern überfordert und halten sie auf Abstand. Sie umarmen sie nicht, sie fassen sie nie an, sie schreien sie nur an...sie verstehen sie einfach nicht. Und was für einen Ausmaß all die Kleinigkeiten haben, ist unglaublich erschütternd. Was die Eltern ihren Töchtern antun ist die pure Gewalt. Und das obwohl sie sie kein einziges Mal geschlagen haben. Ich würde sagen, dass ihre Ignoranz und ihr Desinteresse genauso schlimm sind.
Zu dem Schreibstil der Autorin kann ich sagen, dass er sehr besonders ist. Er geht richtig unter die  Haut.  Der Roman wird ausschließlich aus Phoebes und Aprils Sicht erzählt in Form von Briefen, was an sich schon sehr interessant ist. Die Sätze sind entweder lang geschrieben oder ganz kurz, so dass sie eigentlich keine sind, es sind nur Wörter und dann kommt ein Punkt. Das alles vermittelt die Emotionen der beiden Protagonistinnen und die Geschichte zieht deshalb den Leser so in ihren Bann.
Bei Phoebe merkt man gleich, dass sie ein besonderes Kind ist. Sie erzählt oft Dinge, die zu ihrem Alter passen, aber dann gibt es auch so viele Worte, die nicht zu ihr passen, weil sie viel zu klein dafür ist und sie die noch gar nicht kennen sollte. Sie versteht sogar viele Zusammenhänge besser als Erwachsene und macht sich sehr viele Gedanken. Genau damit sind auch ihre Eltern überfordert, weil sie ihr kleines Mädchen nicht verstehen. Sogar in der Schule wird sie von ihrer Deutschlehrerin nicht verstanden und diese ruft oft ihre Eltern an. Dabei ist es erstaunlich, wie sie den ganzen Schmerz, den sie verspürt, wenn sie ausgegrenzt und übersehen wird und die Sehnsucht nach ihrer Schwester, ausdrückt.
April, ist wie Phoebe ein sehr liebes und hilfsbereites Mädchen. Sie hat auch so ein sauberes Herz und ich bin erschüttert darüber, dass sie so tief abgestürzt ist, dabei überrascht mich das jetzt nicht mehr, da ich weiß, warum es dazu gekommen ist.
Ich konnte mich in beide Protagonistinnen sehr gut hineinversetzten und ihren Schmerz nachempfinden. Ich habe mich genauso wie Phoebe die ganze Zeit gefragt, warum ihre Schwester ihr nicht antwortet. Als ungefähr in der Hälfte endlich die April zu Wort kommt, war ich über ihre Briefe mehr als schockiert. Ich habe erwartet, dass sie an Magersucht leidet, weil sie irgendwelchen Idealen nachläuft und ihre Krankheit nicht wahrnimmt, aber die Erkenntnis, warum sie daran leidet, hat mich vom Hocker gerissen und überrascht, auch wenn Phoebe schon viele Vermutungen davor lieferte.
Das Buch ist auf jeden Fall nichts für Zwischendurch, da es einen noch sehr lange beschäftigen wird. Es ist aber eine Geschichte, die jeder einmal lesen sollte, nicht nur Jugendliche, sondern vor allem Erwachsene, weil wir doch oft übersehen, was in einem Kind vorgehen kann.
 
Zitat:
Meine liebe, liebe April - wenn du nur bald gesund wirst und endlich wieder bei uns bist. Ohne dich sind wir nämlich nicht ganz.
Wir sind ein halber Fork.
Eine halbe Mama.
Ein halber Papa.
Und nur noch ein ganz kleines Stück ich.
Ohne dich bin ich nämlich nicht einmal halb.
 
Cover:
Auf den ersten Blick ist dieses Cover nichts besonderes. Einfach nur weiße Buchstaben auf blauem Hintergrund. Bei genauen Hinsehen aber merkt man, wie dieses Cover perfekt zum Inhalt passt. Das Wort "Ich" setzt sich aus vielen weißen Vögel /Tauben zusammen, die unruhig umherflattern. Wenn sie nicht still bleiben, dann fliegen sie davon - und das Wort, das sie bilden - verschwindet... Das "Ich" verschwindet. Und genau darum geht es in dieser emotionalen Geschichte. April und Phoebe haben immer die Angst, eines Tages komplett zu verschwinden, weil sie einfach von niemanden beachtet und wirklich gesehen und wahrgenommen werden. Sie haben Angst sich zu verlieren.
Ich finde das Cover sehr aussagekräftig. Es ist einfach perfekt, so schlicht und dennoch drückt er die ganze traurige Wahrheit aus.
 
Fazit:
Ich bin über den Roman geschockt, überrascht und sehr, sehr traurig. Er ist tiefgründig, hat absolut authentische Protagonistinnen, die mich mit ihren Gedanken und ihrem Schicksal sehr berührt haben.
Dieses Buch hat auf jeden Fall 5 von 5 möglichen Sternen verdient, weil er jede noch so kleine Gefühlsregung perfekt wiedergibt und ich kenne bisher nicht viele Romane, die so emotional geschrieben wurden. Dieses Buch bleibt einem auch garantiert länger im Gedächtnis.
 
 
Über die Autorin:
 
 
Lilly Lindner, geb. 1985 in Berlin, begann bereits mit fünfzehn begann sie autobiographische Texte und Romane zu schreiben. Viel Zeit verbringt sie heute mit der Arbeit mit Kindern.
 



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